So stehen dir viele Wege offen

Nur eine Ausbildung gemacht? Vorbehalte gegenüber dualen Berufsausbildungen halten sich hartnäckig – und erschweren die Entscheidung für den Berufsweg. Aber was ist dran? Experten ordnen ein.
Eine Mischung aus Theorie und Praxis, gleich das erste eigene Geld verdienen: Eigentlich klingt eine duale Ausbildung nach einer guten Idee für die Zeit nach der Schule. Aber: Kann man danach überhaupt so richtig Karriere machen? Und ist das was für Abiturienten? Gängige Mythen über die Ausbildung im Check.

Ist eine Ausbildung nur für
schwächere Schüler geeignet?

Viele Schüler mit Abitur haben die Einstellung: Ich muss studieren. Das berichtet Irmgard Pirkl, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit, aus dem Alltag ihrer Kollegen in der Berufsberatung. Bildungswege seien aber längst nicht mehr so streng vorgegeben, klassische Bildungsverläufe würden an Bedeutung verlieren. „Es ist auf jeden Fall ein Mythos, dass eine Ausbildung nichts für Schüler mit Abitur ist“, sagt Pirkl. „Bestimmte Ausbildungsberufe sind so anspruchsvoll, dass Betriebe ohnehin mindestens die Mittlere Reife oder Abitur erwarten.“
Eine Ausbildung ist also längst nicht nur für Schüler mit Hauptschulabschluss eine Möglichkeit, in den Beruf zu starten. Sie bietet sich Pirkl zufolge grundsätzlich für alle an, die nach der Schule erst mal etwas Praktisches machen wollen. Oder aber für Schüler, die sich noch nicht auf ein Studium festlegen können und noch Zeit für die berufliche Orientierung brauchen. Andere wollen erst mal etwas eigenes Geld verdienen. Auch wenn du viel Struktur im Alltag brauchst und dich schon in der Schule mit der Selbstorganisation eher schwergetan hast, kannst du mit einer dualen Berufsausbildung richtig liegen.
Professor Hubert Ertl vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) rät Jugendlichen, denen beides offensteht, an die Entscheidung zwischen Hochschule und Ausbildung mit Gelassenheit ranzugehen. „Im Sinne von: Das mit der Hochschule, das klappt auch später noch.“ Insbesondere junge Leute, die in praktischen Dingen interessiert und talentiert sind, sollten diesen Vorlieben ruhig früh nachgehen, meint der Forschungsdirektor.

Ist eine Ausbildung nur in
traditionellen Branchen möglich?

Beim Schlagwort Ausbildung sind viele gedanklich schnell bei traditionellen Branchen oder klassischen Berufen: Maurer, Friseur oder Bankkaufmann. Doch weit gefehlt: „Wir haben im Bereich der dualen Ausbildung im Moment 327 Ausbildungsberufe“, macht Ertl deutlich.
Dahinter stecken unterschiedliche Fachrichtungen. Viele Berufe gehören beispielsweise zum handwerklich-technischen Bereich. Aber auch die kaufmännisch-verwaltenden Berufe sind ein großer Sektor. Unter die „grünen Berufe“ fallen Ausbildungen, die mit Landwirtschaft, Gärtnerei oder Lebensmittelerzeugung im Zusammenhang stehen. Zum Spektrum der Hightech-Berufe zählen IT- und Medienausbildungen. Nicht zuletzt können Interessierte auch in medizinisch-technischen Berufen eine duale Berufsausbildung absolvieren: zum Beispiel als Medizinische Fachangestellte (MFA).
Das Problem: Jungen Menschen fällt es oft schwer, sich überhaupt für eine Ausbildung zu entscheiden und ihren Berufswunsch so zu konkretisieren, dass sie dieses Ziel auch mit Nachdruck verfolgen. Darauf weist Professor Bernd Fitzenberger hin. Er ist Ökonom und Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Wichtig an dieser Stelle: Orientierungsangebote nutzen, in Praktika frühzeitig unterschiedliche Berufsfelder ausprobieren und dir klarmachen, dass du dich mit einer Ausbildung nicht für ein Leben lang festlegt.

Bringt der Ausbildungsabschluss schlechtere Chancen auf dem
Arbeitsmarkt?

Eine gängige Annahme: Mit einer abgeschlossenen Ausbildung haben Jugendliche weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt als Absolventen mit akademischem Abschluss. Das ist falsch. „Personen, die eine duale Berufsausbildung erfolgreich abschließen, haben hervorragende Berufschancen“, sagt Arbeitsmarktexperte Fitzenberger.
Mit Blick auf Daten bis 2023 zeige sich: Eine immer kleiner werdende Zahl an Absolventen stehe besseren Übernahme- und Erwerbschancen im Arbeitsmarkt gegenüber. Begünstigt durch den Mangel an Fach- und Arbeitskräften gebe es eine hohe Zahl an offenen Stellen. „Das trifft auch im Vergleich mit Absolventen mit Hochschulausbildung zu.“
Die Einsatzmöglichkeiten seien aber jeweils abhängig vom Berufsfeld. „Es gibt Berufsfelder, in denen eben einfach eine akademische Ausbildung notwendig ist“, so der Ökonom. Andere Berufsfelder werden traditionell von Absolventen der dualen Ausbildung besetzt.

Verdient man mit einer Ausbildung später weniger?

Wer eine Ausbildung gemacht hat, verdient später wenig Geld? So pauschal lässt sich das nicht sagen. „Es gibt duale Ausbildungsabschlüsse, die den Verdienstvergleich mit Hochschulabsolventen nicht scheuen müssen“, sagt Fitzenberger. Im Durchschnitt sei es aber so, dass die Hochschulausbildung mit deutlich besseren Verdienstchancen einhergeht.
Unterschiedliche Faktoren beeinflussen aber, wie hoch dein Verdienst später ausfallen kann. Unter anderem die Branche. Wenn du eine technische Ausbildung in einem großen Industriebetrieb abgeschlossen hast, kannst du laut Pirkl unter Umständen mehr verdienen als jemand, der mit Hochschulabschluss im sozialen Bereich arbeitet. Und: Wenn du dich nach der Ausbildung weiterbildest, kannst du häufig damit rechnen, dich beim Verdienst in ähnlichen Bereichen zu bewegen wie Akademiker.

Kann man sich mit einer Ausbildung
nicht weiterentwickeln?

Wenn du nach der Schule eine Ausbildung zum Maurer machst, musst du nicht für immer Maurer bleiben. „Die Ausbildung ist ein offener Einstieg“, sagt BIBB-Forschungsdirektor Ertl. Danach stünden Absolventen beruflicher Ausbildung sehr viele Karrieremöglichkeiten offen.
„Die Systeme sind viel durchlässiger geworden“, erklärt Pirkl. „Ich kann mich nach einer Ausbildung zum Beispiel zum Techniker, Meister oder Fachwirt weiterbilden – je nach beruflicher Branche.“ Daneben haben die beruflichen Kammern viele Weiterbildungen im Programm, die sich an eine Ausbildung anschließen lassen.
Wenn du eine abgeschlossene Berufsausbildung hast, kannst du unter bestimmten Voraussetzungen auch direkt in ein Studium einsteigen, wenn dieses eine fachliche Nähe zum erlernten Beruf aufweist. Die Zugangsbedingungen können sich aber je nach Bundesland unterscheiden. Mit Meistertitel oder ähnlichem Abschluss ist das Fach vielfach auch frei wählbar.

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